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Medienstaatsvertrag Scholz will Netzregulierung durch Bundesländer

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz hat fast unbemerkt eine neue Debattenfront der Medien- und Netzpolitik eröffnet: Scholz will das Netz künftig von den Ländern regulieren lassen - per "Medienstaatsvertrag". Ermunterung für die Medienbranche kam von unerwarteter Seite.
Olaf Scholz (SPD) beim Mediendialog in Hamburg: "Komplexes Ökosystem"

Olaf Scholz (SPD) beim Mediendialog in Hamburg: "Komplexes Ökosystem"

Foto: Sven Hoppe/ dpa

Hamburg - Eins muss man Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) lassen: Es gelingt ihm immer wieder, Vertreter all der Branchen an einen Tisch zu bringen, deren Geschäftsmodelle und Vorstellungen von der digitalen Revolution durcheinandergewirbelt werden. Beim "Hamburger Mediendialog" trafen sich am Dienstag und Mittwoch dieser Woche Vertreter von TV- und Printbranche, Google und Musikindustrie, Videoproduzenten und öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Und Scholz hatte eine Überraschung parat.

Die Rundfunkkommission der Länder müsse sich, um den neuen medialen Realitäten Rechnung zu tragen, in eine Medienkommission verwandeln, sagte Scholz. Marktteilnehmer und Verbände müssten sich "als Teil des komplexen Ökosystems der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft" begreifen.

Scholz will das Internet künftig, wie Rundfunk und TV, von den Ländern beaufsichtigen lassen. "Wir sollten es uns als Länder zutrauen, einen Medienstaatsvertrag zu schreiben", sagte Scholz. Und: "Medien- und Netzpolitik gehören genauso zusammen wie Content und Technology."

Das hieße: Landesmedienanstalten, Rundfunkräte (Interneträte?), föderale Abstimmung von Regulierung fürs Netz - und das alles im Angesicht der Dominanz internationaler Unternehmen wie Facebook, Google oder Microsoft.

Die Länder wollen sich die Hoheit über die Medienpolitik nicht nehmen lassen

Die Vertreter der klassischen Medienverbände, etwa der privaten Fernsehsender, fühlen sich in der Debatte derzeit ein bisschen vernachlässigt. Alle Welt redet über Netzpolitik, und die klassische Medienpolitik scheint ein wenig aus dem Fokus zu geraten. Die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Bundestages hat sogar einen eigenen Ausschuss zum Thema gefordert, eine Idee, die Scholz in seiner Rede nicht sehr wohlwollend erwähnte: Es sei "schade" dass "aus den vielen guten Anregungen der Enquetekommission" nun "ausgerechnet die Forderung nach einem netzpolitischen Ausschuss in den Vordergrund gerückt wird". Man kann das auch so lesen: Landeschef Scholz möchte sich und seinen Ministerpräsidenten-Kollegen nicht vom Bund die Hoheit über die Medienpolitik nehmen lassen. Sollen also Länder-Gremien künftig über Werbeplätze, Werbeformen, Auffindbarkeit im Netz entscheiden dürfen?

Manche dürften diese Denkweise begrüßen, nämlich diejengen, die schon Erfahrung haben in den klassischen, oft sehr bedächtig arbeitenden Gremien und Abstimmungsrunden der bundesrepublikanischen Medienpolitik. Jürgen Doetz etwa, der viele Jahre lang dem Privatsenderverband VPRT vorstand, flehte geradezu: "Können wir im nächsten Jahr bitte über eine konkrete Umsetzung eines Medienstaatsvertrags reden?" Die TV-Anbieter besorgt beispielsweise, was geschehen wird, wenn Fernsehgeräte zu vollwertigen, auch als solche genutzten Internetgeräten werden. Wenn neben dem einen Fenster mit den "RTL Nachrichten" womöglich ein zweites offen ist, in dem (auf dem gleichen Bildschirm!) Werbung zu sehen ist. Nachrichten und Werbung gleichzeitig - im TV ist das verboten.

"Die Leute kaufen"

Der Kampf um die Frage, wer den rasanten Wandel der Medien- und Kommunikationswelt regulatorisch begleiten wird, hat gerade erst begonnen. Optimismus, was die mediale Zukunft angeht, kam in Hamburg übrigens von unerwarteter Seite. Musik-Lobbyist und Urheberrechtsvorkämpfer Dieter Gorny etwa rief den zweifelnden Verlagsmanagern im Saal zu: "Die Leute kaufen!" Bezahlmodelle im Internet könnten also durchaus funktionieren, das habe seine eigene Branche mittlerweile festgestellt. Später sekundierte Joachim Birr vom Bundesverband Audiovisuelle Medien: "Der Kunde ist bereit, für Content zu zahlen."

Dass die Unterhaltungsbranche den Verlagen Mut zuspricht, was das das Geldverdienen im Netz angeht - wer hätte das vor ein paar Jahren gedacht?